Den folgenden Text habe ich für eine Live-Lesung im Rahmen des Hochzeitsfestivals beloved im März 2022 geschrieben und vorgetragen. Happy reading!
«Ui nei, was hät denn diä für Schueh ah. Grauehaft.» Das hät de François dänkt, wo d Jessica am Bahnhof Basel usem Zug gstiege isch. Es isch en heisse Augusttag gsi und diä zwei händ sich am François sini Heimatstadt als Kulisse für ihres erste Date usgsuecht. Unter anderem au drum, will bi de Jessica vor de Hustür, in Züri, grad wie jedes Jahr d Streetparade tobt hät und beidi gar nüt mit dere händ chöne afange. D Jessica und de François händ sich es paar Wuche vorher via Tinder känneglernt. Für all diä, wo z alt, z jung oder z glücklich vergeh sind: Tinder isch e Dating-App mit zwiifelhaftem Ruef, wo mer ei einzigi chlini Fingerbewegig entfernt isch vo de grosse Liebi – oder eme heisse Date, je nachdem für was mer Tinder in erster Linie installiert hät.
D Jessica und de François händ eidütig d Liebi gsuecht – allzu grossi Hoffnige händ sie allerdings nöd gha, dass das mit dem Tinder klappe chönnt. Zum sini Chance vergrössere hät de François de Suechradius uf 100 Kilometer igstellt – «Dynamitfische» hät er sini Taktik gnännt. D Jessica hät ebefalls 100 Kilometer igstellt gha, was ja theoretisch e recht grossi Azahl a potentielle Flirtpartner ergeh hett, aber sie hät eis Killerkriterium gha, wo sie bi jedem Profil, wo ihre azeigt worde isch, knallhert durezoge hät: En Bart hät de Maa müesse ha, susch isch er erbarmigslos ussortiert worde. Jedefalls: De Dynamitfischer und d Bartliebhaberin händ online gmatcht, hi und her gschriebe, es Treffe veribart und denn wär die ganz Story ebe scho fast wieder verbii gsi, will sie die falsche Schueh agha hät. Guet, es sind Birkestöck gsi, das isch tatsächlich eher schwierig. Aber was will mer mache, wenn die eifach so bequem sind?
De François hät beidi Auge zue druckt und sie sind mitenand loszoge. Er hät de Jessica sini Heimatstadt zeigt und debii en mindestens so grosse Fauxpas abgliefered wie sii mit de Schueh. «Ui nei, sonen Grosschotz. Grauehaft». Das hät d Jessica dänkt, wo de François d Rhiifähre, wo pro Person 1 Franke 60 kostet hät, so biläufig miteme Hunderternötli hät welle zahle. Echli später häts agfange rägne. Warmi, grossi Tropfe sind uf de heissi Asphalt klatscht und es hät so richtig fein nach Summergwitter i de Stadt gschmöckt. Jessica und de François sind näbenand am Rhiiufer unter eme Rägeschirm gsässe und händ es Bier teilt. Und denn händs knutscht. Wo d’Jessica ihre letzti Zug nach Züri «verpasst», gönds zum Francois hei. Gnau det, am nächste Morge, verliebt sich Jessica i ihn, gnau i dem Moment, wo er d Musig vo Rammstein zu Ben Howard wechsled.
Hoi zäme, vilicht sött ich mich mal no vorstelle. Ich bin d Simone, und ich bi im August 2014 nöd debii gsi, wo Jessica und de François sich zum erste Mal gseh händ. Sie händs mir verzellt, und ich verzell’s jetzt eu, und das isch im Prinzig gnau das, wo ich als Traurednerin fast jedes Wuchenänd mache.
Ich verzelle Liebesgschichte. Ich tue Erläbnis, Gfühl und Erinnerige i Wort fasse, so, dass sie grifbar werded. Ich verzelle Gschichte und ich rede über d Liebi. Nach über 120 Trauige weiss ich immer nonig gnau, was Liebi eigentlich isch, obwohl ich alli Verliebte, wo ich dörf kännelerne, immer denah fröge und inzwüsche über 240 Antworte ha. Zum Bispiel diä: Liebi isch Vertraue. Liebi isch Geborgeheit. Liebi isch, wenn mer s Glück vom andere vor sis eigene stellt. Liebi isch, wenn mer zäme träumt, wenn mer zäme lacht und zäme brüelt. Wenn mer bim Autofahre weniger fluecht, als mer gern würd, de Kafi chauft, wo er gern hät und am Dunnstig Abig Germany’s Next Topmodel luegt, will sie immer so herzig mitfiebered. Wenn ich jedesmal es grosschotzigs Hunderternötli würd übercho, wenn mer öpper seit «eusi Gschicht isch im Fall nöd so romantisch», denn chönnti scho bald mal e Wuche uf d Maledive. Eigentlich fanged sogar die allermeiste Liebesgschichte beidruckend unspektakulär ah. Me gseht sich im Usgang. Me schafft zäme. Me wird sich irgendwo vorgstellt.
Und denn gits ab und zue au Liebesgschichte, die töned echli wie useme Film. Aber sones Skript cha sich nur s Läbe usdänke.
Irgendwenn Endi Dezember vor fast 10 Jahr gaht d Jeannine mitere Kollegin in Usgang. Das heisst, sie händ sich uf de Weg in Usang gmacht, zerst hät d Jeannine nämli no en Stop am nächste Bankomat igleit, vermuetli zum Flüssigs für Flüssigs uselah. Die zwei Ladies freued sich uf en lässige Abig, quatsched und lached mitenand – so wie mers macht, wenn mer sich zwei Täg nöd gseh und extrem viel z verzelle hät. De Bankomat hät leider nöd chöne warte, bis d Gschicht fertig gsi isch, wo d Jeannine ihrere Kollegin grad verzellt hät… Schwupps häts gmacht, und ihres Chärtli isch im Innere vom Bankomat verschwunde. Nach dem Schreck hät sich d Jeannine schnell wieder gfange. Vo so öpisem laht sie sich sicher nöd de Abig verderbe. Ihri Fründin streckt ihre echli Geld vor und de Usgang verlauft wie plant üsserst erfolgrich und ohni wiiteri Zwüschefäll.
Am Mäntig morge lütet d Jeannine ihrere Bank ah, zum ihres müehsame Bankchärtli-Problem löse. I de Raiffisefiliale St. Galle hät also s Telefon gschälled und de Dani nimmt ab. Eigentlich wär das weder sini Ufgab no sis Telefon, aber zuefällig händ grad all vo sine Arbeitskollege Pause oder Sitzige… Jänu, me cha ja mal e Usnahm mache. Sachlich und professionell schildered d Jeannine ihres Problem und sachlich und professionell hilft ihre de Dani. «Danke» – «Bitte» – «Adje» – «Merci», und beid widmet sich wieder ihrem Alltag. Fascht. De Jeannine gaht eifach am Dani sini Stimm nüme usem Chopf… De Herr vo de Bank hät sie so fründlich und kompetent bedient und isch ihre so sympathisch gsi, dass sie ihn churzerhand uf Facebook suecht. Zum Glück hät sie sich sin Name chöne merke. Hüt seit mer dem au «stalke», aber 2012 hät mer das no chöne mache.
Es git es paar Daniels mitem gliche Nachname uf Facebook, aber grad eine vo de oberste gseht irgendwie so us, als würd er zu de Stimm passe. Churz entschlosse schickt sie ihm e Afrag. Au am Dani isch s das Telefongspräch mit de Jeannine irgendwie unter d Huut. Er hangt immerno sine Gedanke nah, wo er plötzlich gspürt, wie sis Handy vibriert. Aber ebe, de Dani isch üsserst professionell, und so wundered er sich no, dass sini Chundin vo vorher ihm e Fründschaftsafrag schickt, aber er leit s Handy uf d Siite und will sich erst nachem Fiirabig demit befasse.
D Stunde vergönd. D Jeannine isch sich plötzlich nüm so sicher, öb das mit dere Fründschaftsafrag würkli e gueti Idee gsi isch. Eigentlich voll frech vo ihre? Fast scho übergriffig. Er finds sicher doof. Er hät bestimmt sowieso e Fründin! Nei würkli, so piinlich. Mit eim Klick löscht sie ihri Afrag wieder. Wo de Dani nach Arbeitsschluss uf sis Telefon luegt, isch nüt meh vonere Fründschaftsafrag z gseh. Schad. Aber nur wenigi Minute später vibriert sis Handy wieder, und die glich Afrag ploppt erneut uf. D Jeannine hät nämli ihre ganz Muet zämegno und namal uf de Chnopf druckt. Was gits scho z verlüre? Mer läbt schliesslich nur eimal! Sie schribed enand, sie treffed sich – und ziemlich sicher hetteds a dem Tag nie demit grechnet, dass sie scho bald ihres Läbe mitenand teiled und sechs Jahr später vor ihrne Liebste Ja zunenand säged.
D Liebi isch unberechebar. Sie isch überraschend. Sie hät meh als 1000 Gsichter. Mängmal chunnt sie miteme lute Chlapf, mängmal muess mer extrem guet anelose, das mer sie ghört. Es git Liebesgschichte, die sind so unglaublich kitschig, das mer Rägebögeli wott chötzle. Und es git Liebesgschichte, die sind fast scho tragisch, will sie zum schlechtmöglichste Moment afanged – zum Bispiel, wenn mer uf de packte Koffere sitzt zum es Uslandsjahr mache oder will mer eigentlich, theoretisch, so rein ufem Papier, gar nöd single isch.
Ich ha all das scho ghört und no viel meh. Ich ha Gschichte ghört wo sich zwei Mänsche eimal agluegt und augeblicklich vom rosarote Liebesblitz troffe worde sind. Ich ha Gschichte ghört, wo sich zwei Mänsche hunderttusig Mal agluegt und NIE vom rosarote Liebesblitz troffe worde sind – bis zu dem einte, hunderttusig und erste Mal, wo plötzlich irgendöpis anders gsi isch.
Keini vo dene Gschichte gits zweimal, so wie au jedi Liebi einzigartig isch. Sowieso gits ja au unzähligi Arte vo Liebi – Liebene? Liebis? Natürli cha mer sin Schatz liebe. Aber au sini Chind. Und sis Mami. Vilicht de Brüeder. De Hund und Hamster. Es Buech, en Film, es besunders Lied. Spaghetti Bolognese? Schoggi ganz sicher. Zombiefilm und Röslichöhl – einzeln, nöd zwingend glichzitig. Wenn d Sunne schiint. Oder wenns schneit. De Gruch vom Meer. Ich ha früehner sogar de Gruch vo de Kanalisation gliebt, will so häts immer in Italie am Hafe gschmöckt, wenn mer mit de Fähre id Summerferie gfahre sind.
Me cha – und ich glaub, mer sött – sich selber liebe. Idealerwiis liebt mer sin Job – wie ich zum Bispiel, das isch würkli e unglaublich empfehlenswerti Liebi. Vilicht chönnt mer au so grundsätzlich anderi Mänsche liebe und dene zum Bispiel hälfe, die feine Flöckli vom oberste Regal abeneh en oder en schöne Tag wünsche – bsunders, wenns selber gar nöd so nett zum eim gsi sind, denn händs es vermuetli am meiste nötig. Das sött jetzt aber uf kein Fall so töne, als wär ich selber de Profi, wenns um d Liebi gaht. Ich ha nöd meh oder weniger devo, wie anderi. Ich weiss nöd, wie mer am beste vo ihre gfunde wird, wenn mer sie suecht. Ich säg ja sogar vo mir selber, dass ich sehr unkitschig, eher unromantisch und ziemlich pragmatisch bin, uf all Fäll eher Chopf als Buuch.
Känned ihr das, wenn mer i de Nacht i de S-Bahn fahrt, ganz näch a de Wohnige verbi, wo idealerwiis kei Vorhäng vor de Fenster hanged und mer i die hell erlüchtete Zimmer cha ineluege wie i sone Bäbistube? Me gseht det Irichtigsgegeständ, Pflanze, ufghänkti Wösch, Krimis wo im Fernseh laufed, Mänsche am Choche oder ässe oder striite. Me gseht für es paar Sekundebruchteil ines anders Läbe und i anderi Gschichte ine. Ich liebs. Und das isch genau de Grund, warum ich eifach nöd gnueg vo dene cheibe Hochziite und Lovestories überchum.
Probiereds mal us. Fröged mal es Paar i euem Umfeld, zum Bispiel eui Eltere, Fründe oder vilicht au zwei, wo ihr gar nöd so guet känned, wie sie sich känneglernt händ. Ermuetiged sie dezue, würkli richtig is Detail z gah und alles ganz gnau z verzelle. Lueged, wie d Auge afanged glänze, wie d Erinnerige wieder ufe chömed und wiä sie nomal durchläbt werded, ganz egal, wie lang sie tatsächlich scho her sind. Ich versprich eu, dass es en berüehrende, lustige, ehrliche und unvergessliche Moment wird. Will das isch gnau, was Gschichte mached: Sie verbinded eus mit eus selber, mit de Welt und de Mensche um eus ume.
Danke für’s Zuelose!